Offener Brief für Humanität, Schutz und Solidarität

Am Sonntag protestierte in Pirna ein breites  Bündnis gegen den Auftritt von Maximilian Krah, Europaabgeordneter der AfD. Aufgerufen hatte die Gruppe „SOE gegen Rechts“. Krah wollte zum Thema sprechen: „Massenmigration – Gegen des großen Austausch“. Wieder einmal wollte er seine Verschwörungstheorie unter die Massen bringen von einem geheimen Plan des Bevölkerungsaustausches.

Das kleine Häuflein der AfD-Anhänger

Unter die Massen konnte er seine Theorie nicht bringen,  denn solch einen Auftritt lässt sich Pirna nicht bieten. Ein langer Zug von hauptsächlich Jugendlichen, aber auch Familien mit Kindern und älteren Personen bewegte sich von der Gartenstraße durch die Altstadt bis zum Markt. Als Krah seine Rede beginnen wollte, ging sie unter in Sprechchören und Pfiffen. Die Stimmung im Gegenprotest war ausgezeichnet, die kleine Gruppe AfD – Anhänger/innen rieb sich verwundert die Augen.

SOE gegen rechte Hetze

An diesem denkwürdigen Sonntag wurden keine Würstchen gegrillt, wurde kein freundlicher Smalltalk betrieben. Es ging um etwas Grundsätzliches, und darum wurde es laut. Es ging darum, dass wir die Stadt nicht Antidemokraten, Rassisten und Völkisch- Nationalen überlassen werden. Diese betreiben ihre menschenfeindliche Politik auf dem Rücken der Allerschwächsten. Auf dem Rücken der Menschen, die nichts mehr haben, die in Sicherheit sein wollen, die arbeiten möchten, die Schutz bei uns suchen.

Humanität, Schutz und Solidarität

Und darum war es auch nur logisch, dass der Offene Brief für Humanität, Schutz und Solidarität großen Applaus bekam. Ihr findet ihn am Ende dieses Beitrages. Viele unterschrieben an Ort und Stelle.

Ich bin sehr froh, dass auch unsere Landesvorsitzenden Christin Furtenbacher und Marie Müser in ihrem heutigen Newsletter nicht Grenzsicherung und Abschottung zur Lösung erklären, sondern die von Nancy Faser angeordneten Grenzkontrollen als Scheinlösung einordnen.

Grenzkontrollen sind Scheinlösungen

Sie schreiben: „Anders als Nancy Faser bleiben wir sächsischen BÜNDNISGRÜNEN bei unserem Standpunkt. Wir lehnen Grenzkontrollen entschieden ab. Sie widersprechen fundamental dem europäischen Gedanken und es handelt sich um Scheinlösungen. Sie führen nicht zu einer Entlastung der Kommunen, aber sehr wohl zu einer Mehrbelastung der Polizei. Zumal Menschen an inneneuropäischen Grenzen nicht zurückgewiesen werden dürfen.

Die Gewerkschaft der Polizei und der Europäische Gerichtshof haben das klar eingeordnet. Die zentralen Fragen im Sinne einer ehrlichen Sachdebatte lauten stattdessen: Wann kommt endlich die vom Bundeskanzler zugesagte Unterstützung für die Kommunen? Wie gelangen wir zu einem fairen Verteilmechanismus in der EU? Und wie bekämpfen wir effektiv Fluchtursachen?“

Der offene Brief

Offener Brief zur bisher fehlenden Perspektive in der aktuellen Migrationsdebatte im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Lasst uns innehalten und handeln:

 Innehalten

Jeden Tag hören, lesen und sehen wir es: Die Debatte um Zuwanderung von Geflüchteten ist mal wieder in vollem Gange. In den Medien fallen häufig die Worte illegale Migration, illegaler Grenzübertritt und illegal Geschleuste. Es scheint, als ginge es dabei ausschließlich um Verbrechen. Die Menschen kommen hier bei uns im Landkreis an, nicht irgendwo. Wir hören die Hubschrauber über uns kreisen, nehmen die vielen Polizeikontrollen wahr, finden mitunter auch verlassene Lager in Wäldern. Am Morgen klopfen geflüchtete Menschen an die Tür der Marienkirche in Pirna.

Um wen oder was geht es bei diesen Debatten eigentlich?

Wir sprechen über Grenzsicherung und Kriminalität. Wir sprechen nicht darüber, warum Menschen nach Deutschland kommen und warum ihnen wegen fehlender legaler Einreisemöglichkeiten oft keine andere Möglichkeit bleibt, als sich einem Schleuser anzuvertrauen. Wir sprechen nicht darüber, dass diese Menschen Schutz in Deutschland suchen. Wir sprechen nicht darüber, dass sie ein Recht auf ein ordentliches Asylverfahren haben. Dafür bürgen unser Grundgesetz und die Genfer Flüchtlingskonvention.

„Geschleuste“: das sind Menschen auf der Flucht. Menschen, die ihr Zuhause und ihre Familien verlassen mussten. Die ihr Leben nicht leichtfertig aufgaben, aber mit Hoffnung auf ein sicheres und besseres Leben nach Europa kamen. Auf diesem Weg geraten sie in lebensgefährliche Situationen, erfahren Gewalt, Ohnmacht und Zurückweisung. Abschottung sorgt nicht dafür, dass weniger Menschen flüchten, sondern dass der Weg nur noch gefährlicher wird.

Handeln

Wir müssen uns fragen: Sehen wir Menschen in Not, denen wir helfen können? Oder sehen wir nur sogenannte Illegale, denen man nicht helfen darf?

Die Geschichte von Migration ist eine Menschheitsgeschichte. Da zu uns Menschen in Not kommen, sind Hilfe und Solidarität die richtigen Entscheidungen – dass wir gemeinsam dazu im Stande sind, haben wir 2015 und 2022 bewiesen. Und wir haben seitdem gelernt: wenn Menschen einen sicheren Aufenthalt haben, dann bringen sie sich ein und gestalten Gesellschaft mit.

Unser Brief soll diese fehlende Perspektive in die aktuelle Debatte einbringen: Es geht um Menschen, um ihr Recht auf Würde und humane Behandlung. Und es geht um uns, den drohenden Verlust unserer Freundlichkeit, Warmherzigkeit und Bereitschaft zu helfen, wenn ein Mitmensch in Not ist. Darauf und auf einer Versachlichung der Debatte sollte unser aller Fokus liegen.

Lasst uns Gesicht und Mitgefühl zeigen. Lasst uns solidarisch sein.

Erstunterzeichner/innen

AG Asylsuchende SOE e.V.
AKuBiZe.V.
Andrea Herrig, Hohnstein
Andreas Püschel
AnjaL.
Anja Oehm, DGB-Kreisvorsitzende SOE
Anne Hentschel, Berggießhübel
Anne Johannsen, Mitglied BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Pirna und Beisitzerin im Landesvorstand
Anne Nitschke, Heidenau
Anni R.
Barbara Gasch
Baristagruppe Pirna
BelaR.
Bernhard Günther, Pirna
Burkhard Nitzsche, Graupa
Carolin Kostov-Ulbig
Christfried Wutzler, Pirna
Christopher Street Day Pirna e. V.
Clara Zippe
Claudi H., Physiotherapeutin
Dieter Wiebusch, Pirna
Dietrich Schildbach
Dominik Droth
Doris Kästner, Freital
Dr. André Hahn, Mitglied des Deutschen Bundestages, DIE LINKE
Dr. Bärbel Falke im Namen des Stadtverbandes von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Pirna
Dr. Hans-Werner Sonntag
Dr. Sebastian Gilbert, Stadtrat Pirna Bündnis 90/ Grüne
Ein Handwerker aus Liebstädt
Eine Humanistin aus Pirna
Elisabeth Trobisch, Hohnstein OT Lohsdorf
Ella Gorek
Emilia Röder
Familie Schöne, Dresden/Pirna
Frank E. und Karla, Permahof Hohnstein
Fridolin Schildbach
Fridolin Volk
Fritz Enge
Hartmut Appenroth, Pirna
Hinterland Hostel, Rathen
Holger Simmat, Flüchtlingssozialarbeiter im LK SSOE
Imke Günther, Pirna
Ines Kummer, MdL BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Initiative Seebrücke Dresden
Johannes Sohnel
Julia H.
Juliane Renner
Katharina Kloso
Kilian Creutz
Klara Lindemann
Konstanze Braun
Kontaktgruppe Asyl und Abschiebehaft e.V.
Kreisvorstand DIE LINKE. Sächsische Schweiz – Osterzgebirge
Laura Albrecht
Lucas P
Lucia Bellora-Bienengräber
Luisa Adlkofer, Rathen
Luisap
Madlen Rogge, Struppen OT Thürmsdorf
Maria Giesing, Stadträtin B90/Grüne Pirna
Martin Eckstein, Dippoldiswalde
MaximilianL.
Michael Braun
Mirko Börner, Herberge auf dem Kulm Weißig OT Struppen
Mobiles Beratungsteam – Regionalbüro Mitte-Ost, Kulturbüro Sachsene.V.
Niklas Lüdecke
Nimue Dröge, Herberge auf dem Kulm Weißig OT Struppen
Nora Henker, Netzwerk-Asyl-Wilsdruff
Pascal Gillert
Paul Löser, Stadtrat in Sebnitz
PIRMOLL – Antifaschistischer Laienchor
Ralf Wätzig, SPD-Stadtrat in Pirna
Robert Zaleskeu
Ronny Haupt, Stadtrat Wilsdruff
RoR (Rythm of Resistance) Dresden
Roter Baum e.V, Ortsgruppe SOE
Sabine Wutzler, Pirna
Sebastian Hohmeyer, Rathen
Sebastian Kreß, Pfarrer in der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Sebnitz-Hohnstein
Sebastian Rietz, Hohnstein OT Lohsdorf
Simon Kretzschmar, Geising
SOE gegen Rechts
SPD Ortsverein Pirna u.U.
Stefan Möller, Die Linke
Stephan Trutschler, Vorsitzender Regionalverband B90/Grüne Freital-Tharandt
Theres Schimansky
Titus Prescher
Tobias Döring
Tom Strächer
Ulrike Zippe
Volker Böricke
Wilhelm Marks
Zwei weltoffene Bürger aus Struppen
Weitere Menschen, die am 15.10.2023 laut gegen die AfD in Pirna waren:
Louis, Leno, Frank Christian, Gustav, Florian, Annita, Diana, Evolin, Alex, Konni, Tom, Eric u.a.
Sowie weitere engagierte und weltoffene Einzelpersonen aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Wer noch unterzeichnen möchte

Wir laden alle ganz herzlich ein,  zu unterzeichnen!

Dazu bitte eine Mail senden an (Betreff: Offenen Brief unterzeichnen) und Namen der Person/Organisation/Initiative nennen, wie es veröffentlicht werden soll. Für Privatpersonen: Auch eine anonymisierte Nennung ist möglich, z.B. „Engagierte Menschen (ggf. mit Berufsbezeichnung) aus Dorf/Stadt XY“ / …

Wir aktualisieren dann regelmäßig die Unterzeichnenden!

Die aktuellen Sharepics findet ihr auf Instagram unter ibz_pirna und auf unserer Website: https://ag-asylsuchende.de/aktuelles/offener-brief-fuer-humanitaet-schutz-und-solidaritaet/

Vielen Dank und freundliche Grüße,

Christina Riebesecker, AG Asylsuchende SOE e.V.

im Namen der Verfasser*innen
Bärbel Falke